Auf Alrosa entfällt etwa ein Drittel des weltweiten Rohdiamantenangebots, und die 80-Milliarden-Dollar-Branche (80 Milliarden Euro) geriet in Aufruhr, als Schleifer, Polierer und Händler nach Möglichkeiten suchten, weiterhin von Russland zu kaufen, während ihre Banken die Zahlungen nicht finanzieren konnten oder wollten. Der plötzliche Mangel an Steinen liess die Preise für Diamanten in die Höhe schnellen, insbesondere für die kleineren und billigeren Edelsteine, auf die sich Alrosa spezialisiert hat.

Nach monatelangem Stillstand aufgrund der US-Sanktionen verkauft Alrosa nun wieder Diamanten im Wert von über 250 Millionen Dollar pro Monat. Damit liegen die Umsätze derzeit nur etwa 50 bis 100 Millionen Dollar pro Monat unter dem Vorkriegsniveau, wie mit der Angelegenheit vertraute Personen berichten. Die Verkäufe sind wieder angelaufen, da einige indische Banken sich mit der Abwicklung von Transaktionen in anderen Währungen als dem Dollar angefreundet hätten, sagten die Personen, die nicht namentlich genannt werden wollten.

Abnehmer in Indien und Europa

Die meisten russischen Steine gehen an Hersteller in Indien - dem grössten unter einer Handvoll Branchenzentren, wo Hunderte von meist familiengeführten Unternehmen Rohdiamanten zu fertigen Produkten für Ohrringe und Verlobungsringe schleifen und polieren. Alrosa habe Diamanten an Abnehmer in Indien und Europa verkauft, meist im Tausch gegen Rupien, so die Personen.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass bei den Verkäufen gegen Sanktionen oder Gesetze verstossen wurde. Aber es gebe immer noch ein weit verbreitetes Unbehagen über die Konsequenzen des Handels mit russischen Waren, sagten die Personen. Die Geschäfte werden diskret abgewickelt - selbst nach den Massstäben der bekanntlich verschwiegenen Diamantenbranche - und Alrosa hat die Veröffentlichung von Informationen über seine Verkäufe oder finanziellen Ergebnisse eingestellt.

Ein Sprecher von Alrosa lehnte eine Stellungnahme ab.

Wichtigsten Quellen für Edelsteine

Die Rückkehr einer der weltweit wichtigsten Quellen für Edelsteine bedeutet eine Entlastung für die Produzenten und Händler, die auf diese Steine angewiesen sind. Allerdings zeigten die Rohdiamantenpreise bereits Anzeichen einer Abschwächung als Reaktion auf die sich verschlechternden Wirtschaftsaussichten, und das erhöhte Angebot trägt zu einer weiteren Schwächung bei.

Die wieder aufgenommenen Verkäufe zeigen, dass die Abnehmer russischer Produkte - von Öl und Gas bis hin zu Kohle und Aluminium - Wege gefunden haben, die Rohstoffversorgung trotz der Auswirkungen des Krieges aufrechtzuerhalten.

Für den Diamantenhandel besteht eine Reputationsgefahr. Wenn die Verbraucher russische Diamanten meiden wollen, könnten sie ganz auf den Kauf verzichten, da es aufgrund der Eigenart der Branche schwierig ist, den Überblick über einen bestimmten Stein zu behalten. Millionen austauschbarer Edelsteine wandern zwischen Dutzenden von Händlern und Herstellern hin- und her, bevor sie schliesslich im Schaufenster eines Juweliergeschäfts landen.

Kennzeichnung als «Konfliktdiamanten»

Einige Teile der Diamantenbranche haben darauf gedrängt, die russische Produktion auszugrenzen - die US-Juweliere Tiffany und Signet Jewelers haben erklärt, dass sie keine neuen in Russland geförderten Diamanten mehr kaufen werden, während Länder, darunter die USA, versucht haben, die Edelsteine als "Konfliktdiamanten" zu kennzeichnen, wie die New York Times berichtete.

Indische und belgische Käufer und Schmuckhändler aus wichtigen Märkten wie China und dem Nahen Osten sind jedoch nach wie vor sehr daran interessiert, russische Diamanten zu kaufen, und haben nach Lösungen gesucht, nachdem die Banken nicht mehr in der Lage oder bereit waren, Zahlungen abzuwickeln, nachdem die Sanktionen in Kraft traten.

Alrosa wird faktisch vom Staat kontrolliert: 33 Prozent gehören der Russischen Föderation, weitere 25 Prozent sind im Besitz lokaler Körperschaften. Das Unternehmen konkurriert weltweit mit De Beers, einer Tochter der Anglo American. Beiden Unternehmen produzieren jährlich etwa die gleiche Menge an Diamanten.

(Bloomberg)