Zwar könnte es zu kleinen kurzfristigen Korrekturen kommen, doch angesichts der Geopolitik und der Wirtschaftsentwicklung wird die Schweizer Währung laut den Experten im Laufe der nächsten 12 Monate ihre Stärke einmal mehr unter Beweis stellen.

In diesem Jahr sorgte der Ausbruch des Krieges in Nahost dafür, dass Investoren zunächst die Flucht in sichere Häfen antraten. Das schickte das Euro/Franken-Paar in Richtung rekordtiefe 94 Rappen. Der US-Dollar erlebte bereits im Sommer seine tiefsten Notierung unterhalb von 86 Rappen. Oberhalb der Parität stand der Euro nur ganz kurz zu Jahresbeginn, der US-Dollar 2023 nie.

An den Finanzmärkten macht denn auch das Bonmot der stärksten Währung der Welt die Runde. Immerhin hält die Aufwertung des Franken schon seit "Bretton Woods" an, wie Devisenberater Thomas Gangl von der Valiant Bank sagt.

Franken als Fluchtwährung

Gründe für die aktuelle Frankenstärke gibt es viele. Und es seien nicht bei allen Währungspaaren die gleichen, betont Devisen-Experte Claudio Wewel von der Bank J. Safra Sarasin. So reagiere das Dollar/Franken-Paar besonders auf Unterschiede in der Zinsdynamik. Für das Euro/Franken-Paar sei diese weniger wichtig; "hier spielt das Risikosentiment eine deutlich wichtigere Rolle."

Die zahlreichen Unsicherheitsfaktoren im Jahresverlauf hätten denn auch dafür gesorgt, dass der Franken einmal mehr von seiner Funktion als sicherer Hafen profitierte, sagt auch Daniel Lüchinger von der Graubündner Kantonalbank (GKB). "Mit dem Krieg in der Ukraine sowie im Nahen Osten haben sich die geopolitischen Unsicherheiten deutlich erhöht - ein rasches Abflachen dieser Unsicherheiten zeichnet sich nicht ab."

Strukturelle Gründe

Ausserdem gebe es auch strukturelle Gründe für die Anziehungskraft. Am bedeutendsten dürfte der Leistungsbilanzüberschuss sein, der zu einer positiven Bewertung der Währung und tendenziell zu Frankenkäufen führt, erklärt Gangl von Valiant. "Daraus und aus der ziemlich offenen Wirtschaft resultiert eine im Vergleich zu anderen Währungen geringe Inflation". 
 
Dazu geselle sich das oftmals als träge und mühsam empfundene, auf Konsens ausgerichtete politische System, das zusammen mit der Neutralität für einen stabilen, berechenbaren Staat sorge. "Das alles zieht Gelder und Unternehmen an, was den Aufwertungsdruck aufrechterhält."

Hinzu kommt die Schweizerische Nationalbank (SNB), welche in den letzten Monaten Devisen verkaufte - und damit den Franken stärkte. Alleine in den ersten sechs Monaten hat sie Devisen im Wert von mehr als 70 Milliarden Franken verkauft.

Anlässlich ihrer jüngsten Lagebeurteilung erklärten die Währungshüter nun aber, dass Devisenverkäufe nicht mehr in den Vordergrund stünden. Man werde zwar bei Bedarf weiterhin intervenieren, aber auch eine gewisse Volatilität zulassen, kündigte SNB-Chef Thomas Jordan an. 

Tatsächlich ist der starke Franken der SNB sehr entgegen gekommen. Denn die starke heimische Währung sorgte dafür, dass die teilweise exorbitant hohe Inflation aus dem Ausland nicht importiert wurde. Diese starke nominelle Aufwertung mache weitere Interventionen nun aber überflüssig, sagte Jordan.

Stabilität spricht für Aufwertung 

Das Gesamtbild dürfte auch 2024 gleichwohl zu einem starken Franken führen, darin sind sich die Experten einig. "Unserer Meinung nach dürfte das Euro/Franken-Paar seinen komfortablen Abstand zur Parität behalten", prognostiziert etwa Wewel von Sarasin. 

Der Devisenexperte begründet dies unter anderem mit den globalen Anleiherenditen, die 2024 eher sinken dürften, sobald die Märkte wieder auf Zinssenkungen der US-Notenbank Fed setzten. Die Verringerung des derzeitigen Zinsunterschieds zu anderen Währungen dürfte sich dann positiv auf den Franken auswirken.

Firmen leiden 

Die Kehrseite des anhaltend starken Franken ist die ständige Belastung speziell für die exportorientierten Unternehmen. "In der aktuellen Konjunkturflaute hilft der starke Franken ganz sicherlich nicht", sagt etwa der Karsten Junius, Chefökonom der Bank J.Safra Sarasin. Vor allem das verarbeitende Gewerbe mache ein Durststrecke durch. "Mittelfristig hat die flexible Schweizer Wirtschaft aber immer gezeigt, dass sie sich an einen stärkeren Franken anpassen kann. So wirkt er immer als Produktivitätspeitsche für die Wirtschaft."

Etwas zurückhaltender äussert sich Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile: "Für die exportierenden Unternehmen ist generell die Konjunktur im Zielland die entscheidendere Grösse. Wenn aber, wie das derzeit der Fall ist, zusätzlich zu einer schwachen Konjunktur in den Exportländern auch noch eine Erstarkung der heimischen Währung hinzukommt, dann kann dieser Cocktail für gewisse Firmen zur Belastung werden." Entsprechend seien die Klagen über den starken Schweizer Franken seit dem Sommer lauter geworden.

(AWP)