Sie hob am Donnerstag trotz der jüngsten Börsenturbulenzen die Schlüsselsätze um einen halben Prozentpunkt an. Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, steigt dadurch von 2,50 auf 3,00 Prozent.

Analysten und Finanzexperten sagten dazu in ersten Reaktionen:

Jens-Oliver Niklasch, Ökonom bei der Landesbank Baden-Württemberg:

"Die EZB hält Kurs, das ist richtig und gut, denn jedes Zucken wäre ihr als Schwäche ausgelegt worden. Die Inflationsrate 2025 liegt nach Einschätzung des EZB-Stabes mit 2,1 Prozent nur noch minimal über dem Zielwert. Das heisst die EZB wähnt sich unter Zugrundelegung der Markterwartungen nahezu auf dem richtigen Kurs. Allerdings haben diese Projektionen die aktuellen Turbulenzen noch nicht berücksichtigen können. Der Markt ist inzwischen ein ganzes Stück hinter die Erwartungen von Anfang März zurückgefallen. Wenn die EZB ihre Projektionen ernst nimmt, wird sie in den kommenden Monaten die Märkte nochmal neu auf weitere Zinserhöhungen einstimmen müssen. Das wird nur dann gelingen, wenn sich die Angst vor einer Schwäche des Bankensystems bis dahin legt.

Ulrich Kater, Chefökonom bei der Deka:

"Die EZB hat sich auch von den Turbulenzen im Bankensystem nicht von ihrem angekündigten Zinskurs abbringen lassen. Das drückt berechtigtes Vertrauen in die Solidität des europäischen Bankensystems aus. Trotzdem müssen Notenbanken und Aufsicht auch in Europa Gewehr bei Fuss stehen, um im Einzelfall schnell stabilisieren zu können. Wirtschaft und Finanzsystem müssen von einer Dekade Nullzinsen entwöhnt werden. Das ist eine mühsame Aufgabe.

Ulrike Kastens, Europa-Ökonomin bei der DWS:

"Die Europäische Zentralbank hat sich nicht beirren lassen und die Leitzinsen um weitere 50 Basispunkte erhöht, trotz des Bebens an den Finanzmärkten. Dies ist eine gute Nachricht vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Inflationsraten. Gleichzeitig bekräftigt sie ihre Absicht, bei einer Gefährdung der Finanzmarktstabilität mit Liquiditätsmassnahmen einzugreifen. Doch eine Vorfestlegung des weiteren Zinspfads entfällt. Damit fährt sie auf Sicht, was angesichts der aktuellen Lage verständlich ist. Dennoch: Das Mandat der EZB ist Preisstabilität. Diese ist weder aktuell noch auf Basis der Projektionen für die nächsten Jahre gegeben. Daher dürfte die EZB nicht darum herumkommen, die Leitzinsen weiter zu erhöhen."

Friedrich Heinemann, ZEW-Institut:

"Fed und EZB mussten immer damit rechnen, dass die konsequenten Zinserhöhungen negative Nebenwirkungen für die Finanzmärkte haben können. Die Zentralbanken dürfen aber nicht übersehen, dass auch eine sich verfestigende Inflation ganz erhebliche Stabilitätsrisiken mit sich bringt. Insofern besteht ein klassischer Zielkonflikt: Eine entschlossene Inflationsbekämpfung ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Genau davor haben Kritiker der jahrelangen Nullzinspolitik ja immer gewarnt. Mit den Turbulenzen um SVB und Credit Suisse zeigt sich jetzt deutlich, unter welchen Stress die Zinserhöhungen den Bankensektor setzen. Kommt es zu einer umfassenden Bankenkrise, dann wird auch die EZB ihren Zinserhöhungskurs abbrechen müssen. Dennoch ist es richtig, dass die EZB heute noch einmal einen grossen Zinsschritt gemacht hat. Alles andere wäre ein Zeichen der Panik gewesen und hätte die Verunsicherung noch vergrössert."

Jörg Amussen, Hauptgeschäftsführer der Versicherer (GDV):

"Die EZB stand heute vor einem schwierigen Zielkonflikt: Weitere Bekämpfung der hartnäckigen Inflation oder Beruhigung der Finanzmärkte. Da die Geldwertstabilität das primäre Ziel der EZB und die Finanzstabilität dem nachgeordnet ist, ist der heutige Zinsschritt um 50 Basispunkte der richtige Schritt. Seit Juli 2022 hat die EZB jetzt in sechs Schritten ihre Schlüssel-Zinssätze um insgesamt 350 Basispunkte angehoben. Das zeigt die verspätete, aber auch deutliche Entschlossenheit, die Inflation an die Zielmarke von zwei Prozent zurückzubringen. Die weiterhin hohen und teilweise steigenden Kerninflationsraten in der Euro-Zone verdeutlichen, dass die EZB bei der Bekämpfung der Inflation nicht nachlassen sollte."

(Reuters)