Sie hob am Donnerstag die Schlüsselsätze erneut um 0,25 Prozentpunkte an. Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder erhalten, steigt somit von 3,50 auf 3,75 Prozent. Ökonomen sagten in ersten Reaktionen:

Ulrich Kater, Chefvolkswirt Dekabank:

"Mit dieser Zinserhöhung ist der Job der EZB erstmal getan. Ab jetzt schliesst sich das Fenster für weitere Leitzinserhöhungen, denn die Inflation wird im Herbst deutlich sinken. Trotzdem sind wir jetzt in einem geldpolitischen Unschärfebereich, in dem man eine ganze Zeit abwarten muss, ob die bisherige Dosis an Zinserhöhungen ausreicht, um die Inflation auch langfristig auszutreiben. Eine Lockerung der Geldpolitik ist daher bis weit ins nächste Jahr hinein nicht in Sicht."

Michael Heise, Chefvolkswirt HQ Trust:

"Trotz aller Fortschritte bei der Inflationseindämmung liegen Gesamtinflation und Kerninflation ohne Energie und Nahrungsmittel noch bei viel zu hohen 5,5 Prozent. Der weitere Rückgang dürfte angesichts hoher Lohnabschlüsse wieder steigender Energiepreise und noch vorhandener Überwälzungsspielräume der Unternehmen nur graduell ausfallen.

Eine harte Landung der Wirtschaft mit deutlichen Einkommensverlusten zeichnet sich zwar noch nicht ab, aber die Konjunktur ist erkennbar angeschlagen. Daher dürfte im September eine Zinspause eingelegt werden."

Moritz Schularick, Präsident Institut für Weltwirtschaft (IFW):

"Die EZB hat im Kampf gegen die Inflation wirkungsvoll Zähne gezeigt, die Inflationsrate hat sich gegenüber ihrem Höchststand etwa halbiert. Aus Risikomanagementperspektive spricht nach so starken Zinsanhebungen vieles dafür, jetzt zunächst die realwirtschaftlichen Effekte abzuwarten und eine Pause einzulegen, um die Auswirkungen der Zinserhöhungen valide bewerten zu können. Die Effekte der Zinserhöhungen sind inzwischen deutlich sichtbar: Der Immobilienmarkt ist eingebrochen, und die Firmenkreditvergabe ist deutlich gefallen. Die Wolken am Konjunkturhimmel verdunkeln sich, insbesondere die Wachstumsschwäche in Deutschland tritt durch die hohen Zinsen nun deutlich zu Tage.

Die Ursachen dieser Wachstumsschwäche alleine der EZB zuzuschreiben greift aber zu kurz, dies zeigt auch der Blick auf unsere europäischen Nachbarn, die allesamt eine höhere konjunkturelle Dynamik zeigen. Wenn Deutschland nicht noch einmal zum 'kranken Mann Europas' werden will, muss es sich jetzt mutig den Wachstumsbranchen von morgen zuwenden, anstatt ängstlich mit Milliarden energieintensive Industrien von gestern zu konservieren. Dazu gehört auch, die Defizite und verpassten Chancen des vergangenen Jahrzehnts jetzt schnell zu beseitigen: die mitunter bizarre Rückständigkeit in allen digitalen Bereichen, der starke Rückgang der staatlichen Kapazitäten und der öffentlichen Infrastruktur sowie das Fehlen einer sinnvollen Strategie zur Verbesserung des Wohnungsmangels und zur Steigerung der Zuwanderung, um den Auswirkungen der alternden Erwerbsbevölkerung zu begegnen."

Jörg Krämer, Commerzbank-Chefvolkswirt:

"Es ist gut, dass sich die EZB die Möglichkeit offen gelassen hat, ihre Zinsen weiter anzuheben. Denn ein Einlagensatz von 3,75 Prozent steht noch nicht für eine ausgeprägt restriktive Geldpolitik, die mit Blick auf die deutlich gestiegenen Inflationserwartungen notwendig ist. Auch die rasch anziehenden Löhne legen ein tieferliegendes Inflationsproblem nahe, das ein entschiedenes Handeln erfordert."

(Reuters)