Mittlerweile sinke die Teuerung zwar wieder, sagte Nagel am Donnerstag in einem Festvortrag anlässlich der Verleihung der Heinrich-Hertz-Gastprofessur in Karlsruhe laut Redetext. «Besiegt ist das 'gierige Biest' aber noch nicht», fügte er hinzu. Die Europäische Zentralbank (EZB) müsse ihren restriktiven Kurs fortsetzen, bis sichergestellt sei, dass die Inflation wieder zum mittelfristigen Notenbank-Zielwert von zwei Prozent zurückkehre.

«Beunruhigend ist die weiterhin sehr hohe Kernrate, bei der die schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet werden», sagte Nagel. Denn diese gebe Aufschluss über den zugrundeliegenden Inflationstrend. «Und der ist offensichtlich noch nicht gebrochen,» ergänzte er. Die Teuerungsrate in der 20-Ländergemeinschaft ist zuletzt kräftig gesunken. Im September ging sie auf 4,3 Prozent zurück nach 5,2 Prozent im August. Das ist zwar der tiefste Stand seit Oktober 2021 aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie das EZB-Inflationsziel. Die Kerninflation verringerte sich auf 4,5 von 5,3 Prozent im August.

Die EZB hatte die Zinsen zuletzt Mitte September um erneut einen viertel Prozentpunkt angehoben. Der am Finanzmarkt massgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank bekommen, liegt damit inzwischen bei 4,00 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 26. Oktober.

Aus Sicht von Nagel dürfen mit Blick auf die Preisstabilität auch klimabezogene Finanzrisiken nicht vernachlässigt werden. «Insofern halte ich es für sinnvoll, die Unternehmensanleihen, die wir derzeit aus geldpolitischen Gründen halten, auch anhand ihrer Klimarisiken auszurichten», sagte er. Falsch wäre es aus seiner Sicht aber, dauerhaft in grüne Wertpapiere zu investieren, wenn es geldpolitisch nicht geboten ist. «Auch können wir die Zinsen nicht an dem Ziel ausrichten, klimafreundliche Investitionen zu unterstützen.» Günstige Finanzierungsbedingungen für gesellschaftlich erwünschte Investitionen zu schaffen, sei Aufgabe von anderen staatlichen Institutionen, vor allen von Förderbanken.

Nagel sprach sich zudem für die Einführung eines digitalen Euro aus. Wenn die Welt immer digitaler werde und das Bezahlen genauso, dann sei es nur schlüssig, dass auch die Zentralbank für ihr Geld ein digitales Angebot entwickele. «Ich halte seine Einführung daher für einen logischen Schritt – als Ergänzung zum Bargeld.» Nagel zufolge wird es aber noch einige Jahre dauern, bis eine Digitalversion der Gemeinschaftswährung eingeführt wird. Die EZB will nach früheren Angaben noch in diesem Monat entscheiden, ob sie mit dem Projekt in eine Vorbereitungsphase gehen will. Die EU-Kommission hatte Ende Juni ihren Gesetzesvorschlag für die Einführung eines digitalen Euro vorgelegt.

(Reuters)