Eine Quelle in israelischen Sicherheitskreisen nannte dies unvermeidlich.  Ein Vorrücken mit Bodentruppen birgt für Israel aber Risiken, die grösser sein könnten als bei ähnlichen Einsätzen 2008 und 2014.

Beim Kampf in den Städten liesse sich Israels überlegene Feuerkraft kaum ausspielen. Israelische Soldaten träfen auf Hamas-Kämpfer, die durch frühere Konflikte kampferfahren und vom Iran zunehmend besser ausgerüstet sind. Die Hamas hatte zudem Jahre Zeit zum Aufbau eines Tunnelnetzes, das ihr schnelles Auf- und Untertauchen ermöglicht - die «Gaza-Metro», wie israelische Truppen es manchmal nennen.

Seit dem Hamas-Angriff in der Nacht zum Samstag überzieht Israel den Gazastreifen mit Luftangriffen auf Strassen und Gebäude und zieht nach der Mobilmachung von 300.000 Reservisten grosse Truppenverbände an der Grenze zusammen. Vielen der 2,3 Millionen Einwohner des Küstenstreifen kommt dies auf bedrohliche Weise bekannt vor, da dies dem Auftakt zu den Bodenoffensiven 2008 und 2014 ähnelt.

Zerstören von Strassen eine typische Taktik

«Die Menschen befürchten, dass die Bombardierung des Grenzgebiets eine Taktik war, um verbrannte Erde zu schaffen, bevor die Panzer vorrücken», sagte Jamen Hamad. Er ist Vater von vier Kindern und mit seiner Familie und anderen aus Beit Hanun nahe der Nordgrenze des Gazastreifens geflohen.

Explosionskrater haben dort die Strassen unpassierbar gemacht, in der Umgebung liegen Gebäude in Schutt und Asche. Bei den Luftangriffen auf den Gazastreifen starben bis Dienstag mindestens 830 Menschen, mehr als 180.000 Menschen wurden nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) obdachlos. In Israel wurden laut Militär beim Angriff der Hamas am Samstag mindestens 1200 Menschen getötet.

Die Quelle in israelischen Sicherheitskreisen sagte Reuters, das Ziel sei es, «die andere Seite aufzuweichen und in diesem Rahmen die Menschen zur Flucht (aus bebauten Gebieten) zu bringen. Es geht auch um den Aufbau von Stärke, Strategie und Überraschung. Man kann nicht einfach reingehen.» Eine Bodenoffensive sei unvermeidlich. Diese sei «wegen des hohen Preises, den wir gezahlt haben, nicht zu verhindern», sagte die Person, die namentlich nicht genannt werden wollte. «Dies wird nach Luftangriffen der Luftwaffe geschehen.» Regierung und Militär lassen dies öffentlich allerdings weiter offen.

Das Zerstören von Strassen war eine typische Taktik vor den Bodenoffensiven Israels in den Gazastreifen 2008 und 2014, um die Kommunikation und die Bewegungsfreiheit der Hamas und anderer militanter Gruppen zu stören. Bewohner berichten, dass die israelischen Streitkräfte bei ihrem Einmarsch häufig neue Routen für ihre Fahrzeuge planierten, um Landminen auf den bestehenden Strassen zu vermeiden.

Die Entsendung von Truppen in ein dicht bebautes städtisches Gebiet ist keine leichte Entscheidung, auch wenn Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu «gewaltige Rache» für den Hamas-Angriff ankündigt. Giora Eiland, ehemaliger Leiter des israelischen Nationalen Sicherheitsrates, sagte, die Luftangriffe im Gazastreifen «scheinen früheren israelischen Operationen sehr ähnlich zu sein» - aber diese Taktiken hätten die Hamas in der Vergangenheit nicht neutralisiert.

Eine Bodenoffensive könnte Hamas-Kämpfer effektiver ausschalten und die Befehlskette zerstören, sagte Eiland, fügte aber hinzu: «Die Regierung zögert noch immer, eine solche Initiative zu ergreifen, weil sie viele, viele weitere israelische Opfer mit sich bringen könnte.» Beim gut dreiwöchigen Einmarsch 2008 verlor Israel neun Soldaten. Im Jahr 2014 stieg die Zahl der getöteten Soldaten auf 66.

Zögert Israel noch?

Talal Okal, ein Analyst in Gaza für die Tageszeitung «Al-Ajjam», sieht bei Israel noch ein Zögern. «Israel weiss um die grosse Bereitschaft der Widerstandsgruppen und ihre Fähigkeit, mit Bodenangriffen umzugehen», sagte Okal. «Es will Gaza einen hohen Preis zahlen lassen, aber ich glaube nicht, dass es bereit ist, einen noch höheren Preis zu zahlen, wenn sie in den Gazastreifen eindringen.»

Der israelische Militärsprecher Major Amir Dinar ging auf die Frage nach einer Landinvasion nicht ein: «Wir greifen die Infrastruktur der Hamas an, und wir werden hart zuschlagen und weiter zuschlagen.»

Für Israel kommt erschwerend hinzu, dass die Hamas Dutzende von Geiseln in den Gazastreifen verschleppt hat. Viele davon sind Zivilisten, einige von ihnen aber auch Soldaten. Dies stellt eine grosse Herausforderung für ein Land dar, dessen Grundsatz es ist, niemanden zurückzulassen. 2011 erklärte sich Israel bereit, Hunderte palästinensischer Gefangener gegen einen einzigen israelischen Soldaten, Gilad Schalit, auszutauschen, der fünf Jahre lang gefangengehalten worden war.

Mit dem Überraschungsangriff am Samstag hat die Hamas zudem demonstriert, dass sie stärker ist als von Israel angenommen. Ein Vertreter der militanten Palästinenser, der nicht genannt werden wollte, sagte, der Widerstand sei nicht mehr derselbe wie bei früheren israelischen Offensiven und auch nicht mehr unterausgestattet: «Wir sind immer vorbereitet. Wenn Israel mehr Soldaten schickt, werden sie entweder zu Leichen oder zu Geiseln.»

(Reuters)