Nach Angaben von zwei mit der Angelegenheit vertrauten Personen sieht sich der Konzern derzeit in Afrika nach Zukäufen um. Adnoc plane Investitionen in Flüssigerdgas-(LNG)-Anlagen und prüfe den Kauf eines zehnprozentigen Anteils von am milliardenschweren Erdgasprojekt im Rovuma-Becken vor der Küste Mosambiks, sagten die Insider der Nachrichtenagentur Reuters. In einem schriftlichen Statement erklärte Adnoc dazu, man verfolge ausgewählte Möglichkeiten in den Bereichen erneuerbare Energien, Gas, Petrochemie und LNG. Mögliche Übernahmeziele nannte der Konzern nicht. Von Portugals Galp als möglichem Verkäufer war keine Stellungnahme zu erhalten.

Die VAE wollen - ebenso wie die Golfnachbarn Saudi-Arabien und Katar - ihre fossilen Ressourcen ausbeuten, solange es noch starke Nachfrage nach Öl- und Gas gibt. Die Einnahmen daraus sollen zur Diversifizierung der Wirtschaft verwendet werden, um die Abhängigkeit von Kohlenwasserstoffen zu verringern. Adnoc gilt heute als weltweit zwölftgrösster Erdölproduzent.

Im laufenden Jahr war Adnoc bereits mit Übernahmen aktiv: Der Konzern beteiligte sich etwa an einem aserbaidschanischen Gasfeld und legte gemeinsam mit BP ein Angebot für einen Anteil am israelischen Gasproduzenten NewMedEnergy vor. Darüber hinaus laufen Übernahmegespräche mit dem deutschen Kunststoffhersteller Covestro. Weiters gibt es Pläne, das Chemiegeschäft mit dem österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV zu bündeln und damit einen 20-Milliarden-Dollar schweren Chemieriesen zu formen. Ausserdem wolle Adnoc in den Energiehandel investieren, teilte der Konzern mit, ohne Details zu nennen. Reuters berichtete im Vorjahr, dass Adnoc ein Handelsbüro in Genf und eine Repräsentanz in London eröffnen wolle.

«Im Rahmen unserer internationalen Wachstumsstrategie konzentrieren wir uns auf den Ausbau unserer Präsenz in den Bereichen erneuerbare Energien, Gas, Flüssigerdgas und Chemikalien und verfolgen aktiv augewählte Gelegenheiten, während wir gleichzeitig in unsere Handelskapazitäten investieren und diese ausbauen», sagte ein Adnoc-Sprecher.

Adnoc hat vor 2020 zwei Handelssparten gegründet: Adnoc Trading, das sich auf Rohöl konzentriert, und Adnoc Global Trading, ein Joint Venture mit der italienischen Eni und OMV, das sich auf raffinierte Produkte konzentriert.

Internationaler Ölmulti

«Der Gedanke ist, sich von einem traditionellen staatlichen Ölunternehmen zu einem internationalen Ölmulti zu entwickeln», sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Der Wandel von Adnoc ähnelt der Entwicklung der staatlichen Energieriesen Saudi-Arabien und Katar. Die Energiekonzerne dieser Länder, Saudi Aramco und QatarEnergy, haben eines mit Adnoc gemeinsam: Sie waren traditionell auf die Öl- und Gasproduktion im eigenen Land konzentriert. Da sich nun der Übergang zu erneuerbaren Energien beschleunigt, bleibt den Konzernen nur noch wenig Zeit, um sich mit Hilfe ihrer Reserven neu auszurichten.

Um den Wandel voranzutreiben, hat Adnoc in diesem Jahr bereits mehr als 3370 Mitarbeiter eingestellt. Darunter finden sich 28 leitende Angestellte etwa von globalen Energiekonzernen, Handelshäusern, Banken und Beratungsfirmen, wie aus Daten des Jobnetzwerks LinkedIn hervorgeht. Den Daten zufolge stieg die Mitarbeiterzahl von Adnoc in diesem Jahr um 13 Prozent und in den letzten beiden Jahren um ein Viertel auf etwa 32.750. Die tatsächliche Zahl, die Adnoc nicht bekanntgibt, liege bei über 40.000, sagte einer der Insider.

«Während wir unser Geschäft weiter ausbauen, schaffen wir spannende Möglichkeiten für unsere talentierte Belegschaft, da wir den Wandel, die Dekarbonisierung und die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens beschleunigen», sagte ein Adnoc-Sprecher.

Michele Fiorentino, der von 2017 bis 2020 Chief Investment Officer war, bestätigte gegenüber Reuters, dass er vor kurzem vom US-Öldiensleister Baker Hughes zu Adnoc zurückgekehrt ist. Zu den weiteren Neuanstellungen der jüngsten Zeit gehört auch Bart Cornelissen, der den Wirtschaftsprüfer Deloitte verliess, um künftig bei Adnoc für Konzernstrategie und Portfolio zuständig zu sein. Zudem kam Michael Hafner zu Adnoc, ein langjähriger Investmentbanker im Energiesektor - zuletzt bei Greenhill & Co, davor bei der Deutschen Bank und UBS.

Adnoc bleibt nationaler Erdölkonzern

Nach Ansicht von Analysten wird Adnoc ebenso wie die Konkurrenten in Saudi Arabien und Katar trotz der Neuausrichtung zu einem gewissen Grad durch die staatliche Kontrolle eingeschränkt bleiben. «Nationale Ölkonzerne sind letztlich an ihre Regierungen gebunden und müssen den Zielen der Führung des Landes dienen», sagte Neil Quilliam, Associate Fellow bei der Denkfabrik Chatham House.

(Reuters)