Nach einem durchwachsenen Jahresergebnis und nachträglichen Anpassungen im Zusammenhang mit einem eher peinlichen Betrugsfall in Südkorea sorgt ABB am Dienstag endlich mal wieder für positive Schlagzeilen. Der Industriekonzern aus Zürich übernimmt für eine nicht bekannte Summe die österreichische Bernecker + Rainer (B&R) und steigt damit in der Industrieautomation zum Komplettanbieter auf.

B&R kann auf nicht weniger als zwei Jahrzehnte mit prozentual zweistelligen Wachstumsraten zurückblicken und führt beim operativen Gewinn schon ab dem ersten Jahr zu einer willkommenen Verdichtung.

Das klingt wie Musik in den Ohren der Anleger. An der Schweizer Börse SIX belohnen sie die Aktie von ABB zur Stunde noch mit einem Kursplus von 0,4 Prozent auf 23,39 Franken. Zeitweise wurden sogar Kurse um 23,55 Franken bezahlt. Beobachter berichten von einem guten Kaufinteresse aus dem Ausland.

In ersten Analystenkommentaren wird die auf 1,8 bis 2 Milliarden Dollar geschätzte Grossübernahme positiv beurteilt. In der Industrieautomation schliesse ABB mit dem Kauf eine wichtige Lücke im Produktangebot, so heisst es.

Kluger strategischer Schachzug

Den Experten zufolge hat sich der Käufer mit B&R eine Wachstumsperle angelacht. Denn sollten die erworbenen Geschäftsaktivitäten auch in Zukunft ein prozentual zweistelliges Wachstum aufweisen, würde sich dadurch das Wachstumsprofil von ABB verbessern.

Wie der für die Bank Vontobel tätige Analyst schreibt, betrachtet er den Kauf als klugen strategischen Schachzug. Mit B&R schliesse ABB eine Lücke im Produktportfolio. Seines Erachtens fügen sich die Geschäftsaktivitäten gut in die digitale End-to-End-Lösungsplattform ABB Ability ein. Auch die Personalerweiterung um 500 Anwendungstechniker beurteilt man bei der Zürcher Bank positiv. Dennoch wird die Aktie bis auf weiteres nur mit "Hold" und einem Kursziel von 22,50 Franken eingestuft.

Auch der Berufskollege der britischen Grossbank Barclays findet sichtlich Gefallen an der Übernahme in Österreich. Er bezeichnet die angestrebten Synergien zwar als ambitioniert, schliesst allerdings nicht aus, dass ABB diese auch erzielen kann. Der Experte empfiehlt die Aktie schon seit längerer Zeit mit "Overweight" und einem Kursziel von 26 Franken zum Kauf und zählt sie als einziger Vertreter aus der Schweiz zu den Schlüsselkaufempfehlungen für Europa.

Auswirkungen auf das Aktienrückkaufprogramm?

Die Zürcher Kantonalbank sieht ABB mit diesem Schritt in der industriellen Automation wieder zum deutschen Rivalen Siemens aufschliessen. Vom eindrücklichen Wachstum der letzten 20 Jahre und der guten Rentabilität leitet der Analyst ab, dass B&R womöglich kein Schnäppchen gewesen sei. Obwohl er mit Blick auf die vorhandenen Barmittel mit einer problemlosen Abwicklung der Transaktion rechnet und den Zukauf als von grösserer strategischer Wichtigkeit burteilt, stuft der Experte die Aktie weiterhin nur mit "Marktgewichten" ein.

Der für Morgan Stanley tätige Analyst spricht gar von einer "historischen Lücke" im Produktangebot, welche mit der Übernahme geschlossen werden konnte. Wie er weiter schreibt, passen die erworbenen Geschäftsaktivitäten in die "Internet-of-Things"-Strategie von ABB. Bei der amerikanischen Investmentbank wird die Aktie mit "Overweight" und einem Kursziel von 25 Franken zum Kauf empfohlen.

Allerdings bleibt Händlern zufolge unklar, ob die Übernahme Folgen für das milliardenschwere Aktienrückkaufprogramm hat. Die davon ausgehende Ungewissheit erkläre denn auch, weshalb die ABB-Aktie nicht noch positiver auf die Neuigkeiten reagiere, so lautet der Tenor.