Die Aktie von Zur Rose, Europas grösster Versandapotheke, hat seit Ende Oktober rund 20 Prozent zugelegt. Auch am Donnerstag steigt der Titel kurzzeitig 1,6 Prozent, mittlerweile auf 285 Franken. Die Aktie nähert sich somit wieder dem Allzeithoch von 304,50 Franken von Mitte Juli.

Die Aktie der Onlineapotheke aus Frauenfeld ist einer der typischen Corona-Krisengewinner. Sie profitiert nebst dem boomenden Onlinehandel auch davon, dass die Pandemie die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreiben wird. Die flächendeckende Einführung des elektronischen Rezepts Anfang 2022 in Deutschland soll zusätzlichen Drive ins Geschäft bringen. Zur Rose ist vor allem 2019 organisch und mit Übernahmen stark gewachsen.

Zu Jahresbeginn lag der Kurs noch bei etwas über 100 Franken. Die Drittquartalszahlen, welche Zur Rose Ende Oktober bekanntgegeben hatte, überzeugten den Markt und wischten Zweifel wegen des weniger guten Zweitquartalsresultates wieder weg.

Beobachter vermuten, dass die jüngste Kurshausse mit Aktien-Umschichtungen vom deutschen Konkurrenten Shop Apotheke zusammenhängen, der teurer bewertet ist. Ebenso dürften Portfoliomanager derzeit Positionen von Aktien aufstocken, die übers Jahr gut gelaufen sind. Mit dem Ziel, dass die Geldverwalter bei ihren Portfolio-Kunden am Jahresende gut dastehen. Ein Phänomen, das als "Window Dressing" bekannt ist.

Die Hausse der Aktie von Zur Rose fällt ausgerechnet in eine Woche,  in der Zur Rose an der Justiz-Front Schlagzeilen mcht. Am Dienstag ging am Bezirksgericht in Frauenfeld der erste von zwölf Prozesstagen gegen Walter Oberhänsli, den CEO der Versandapotheke, über die Bühne. Die Schweizer Apotheker-Lobby stemmt sich schon seit Jahren mit juristischen Mitteln gegen den Emporkömmling der letzten Jahre.

Kursverlauf von Zur Rose in den letzten drei Jahren (Quelle: cash.ch)

Der schweizerische Apothekerverband PharmaSuisse hatte 2012 Strafanzeige eingereicht, weil die Versandapotheke, die noch immer Verluste schreibt, zwischen 2011 und 2015 beim Onlineversand rezeptfreier Medikamente ihre Sorgfaltspflicht verletzt habe. Zur Rose habe sich mit ihrer unlauteren Geschäftspraxis einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Konkret lautet der Vorwurf, beim Versand der rezeptfreien Medikamente habe kein ausreichender Kontakt zwischen medizinischem Fachpersonal und Medikamentenbezügern stattgefunden, womit für Zur Rose gegenüber Offizinapotheken Einsparungen resultiert hätten.

2014 kam das Thurgauer Verwaltungsgericht zum Schluss, das Geschäftsmodell von Zur Rose sei zulässig. Das Bundesgericht hob jenes Urteil aber 2015 auf. Gemäss dem Bundesgericht ist der Onlineversand rezeptfreier Medikamente ohne ärztliches Rezept als Ersatz für direkten Kontakt zwischen medizinischem Fachpersonal und Patienten unzulässig.

Bundesgericht überstimmt Verwaltungsgericht

Bis zum Bundesgerichtsurteil 2015 hatte Zur Rose, die Mitte 2017 an die Börse ging, seinen Versandhandel rezeptfreier Medikamente aufrechterhalten, obwohl sie allerspätestens seit 2012 von der potentiellen Unrechtmässigkeit ihrer Praxis hätte ausgehen können. Die Thurgauer Staatsanwaltschaft geht nun davon aus, dass Zur Rose möglicherweise davon ausgegangen sei, sie handle rechtens und das Bundesgericht würde diese Haltung dereinst stützen. Es sei also nicht zwingend von einem eventualvorsätzlichen Vorgehen der Versandapotheke auszugehen.

Der Prozess gegen Oberhänsli wird am 12. Januar fortgesetzt, es sollen sieben weitere Prozesstage folgen. Die Staatsanwaltschaft wird Schuldsprüche fordern, hat am Dienstag aber noch keine Strafanträge gestellt, weil das Verfahren zweigeteilt wurde. Wie die Verteidigung ankündigte, wird sie auf vollständigen Freispruch plädieren.

Unmittelbar hat der Prozess also keine Auswirkungen auf die Aktie von Zur Rose, obwohl juristisches Gezänk selten gut ist für die Aktie des involvierten Unternehmens. Und wenn man die Entwicklung der Aktie der letzten Monate und Jahre beobachtet, preist der Markt auch keine Negativ-Szenarien ein. Investoren seien diesbeüglich "ziemlich entspannt", sagt ein Marktteilnehmer zu cash.ch. 

Schlecht war kurzfristig schon eher die Meldung vor ein paar Wochen, dass Amazon in den US-Medikamentenmarkt eintreten will. Dies weckte bei den Anlegern Sorgen, dass ein ähnlicher Schritt auch in Deutschland und der Schweiz geplant sei. Doch auch von diesem Taucher hat sich die Aktie von Zur Rose erholt. Zumindest auf Sicht Ende Jahr sind die Aussichten für die Zur-Rose-Aktie also rosig. Mittelfristig haben Analysten ein durchschnittliches Kursziel von über 350 Franken bei der Aktie.

(mit Material von AWP)