Kurz nachdem letzte Woche im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags brisante E-Mails aufgetaucht waren, die ein Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank mit dem ex-Wirecard-Chef Markus Braun gewechselt hatte, griff Paul Achleitner höchstpersönlich zum Telefonhörer.

Die Formulierungen in der Korrespondenz seien seiner Ansicht nach inakzeptabel, liess der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank seinen Kollegen Alexander Schütz wissen. Das berichten Personen, die mit dem Inhalt des Gesprächs vertraut sind. Achleitner werde diese Woche voraussichtlich ein weiteres Mal mit Schütz reden. Dieser hat sich zwar für die E-Mails öffentlich entschuldigt, plane derzeit aber nicht zurückzutreten, sagte eine der Personen.

“Macht diese Zeitung fertig!!”, hatte Schütz dem Wirecard-Chef in einer der E-Mails im März 2019 geschrieben, die über den Untersuchungsausschuss öffentlich geworden waren. Gemeint: Die "Financial Times", die in dieser Zeit einen ihrer zahlreichen kritischen Artikel über die Rechnungslegung des Zahlungsdienstleisters veröffentlicht hatte - und am Schluss Recht behielt.

In einem für die zurückhaltenden Frankfurter Banker ungewöhnlichen Schritt distanzierte sich die Deutsche Bank explizit von dem Schriftwechsel und nannte Schütz’ Wortwahl inakzeptabel.

Die Empörung über das Verhalten von Schütz bei Abgeordneten wie Aktionären ist gross. Die Sorge, dass die Affäre auch das öffentliche Ansehen der Deutschen Bank in Mitleidenschaft ziehen könnte, trug daher wohl bei zu Achleitners Bemühungen, die negativen Auswirkungen einzudämmen. Das grösste deutsche Kreditinstitut hat auch so schon alle Hände voll zu tun damit, seine von vergangenen Skandalen angeschlagene Reputation zu verbessern.

Grosses Reputationsrisiko für die Deutsche Bank

“Wir sehen ein sehr grosses Reputationsrisiko für die Deutsche Bank, gerade auch weil die Diskussion um Wirecard sehr öffentlich geführt wird. Jetzt ist der Aufsichtsrat gefragt”, sagte Ingo Speich, ein Fondsmanager bei der Deka, die zu den 20 grössten Aktionären an dem Kreditinstitut gehört. Ein Sprecher der Deutschen Bank lehnte eine Stellungnahme ab, ebenso wie Schütz.

Für Achleitner gibt es keine einfache Lösung in dem Skandal. Der Aufsichtsrat kann zwar leitende Angestellte ernennen und entlassen, seine eigenen Mitglieder werden hingegen von den Aktionären auf der Hauptversammlung gewählt. Dies macht es schwer, Mitglieder abzuberufen.

Schütz kam 2017 in den Aufsichtsrat und sein Mandat läuft bis 2023. Er sitzt auch im Nominierungsausschuss der Bank und ist damit ein einflussreicher Akteur bei der Auswahl neuer Mitglieder - einschliesslich des Vorsitzenden selbst. Schütz hält zudem 17,4 Millionen Deutsche-Bank-Aktien und ist damit einer der 15 größten Investoren.

"Ganz ein Schlimmer"

In ihrer Korrespondenz plauderten Schütz und Braun - beide, wie auch Achleitner, gebürtige Österreicher - zunächst über ihre Pläne für die Sommerferien, in denen Jachtbesuche in Südfrankreich eine zentrale Rolle spielten. Schütz schlug ein Treffen der beiden Familien vor, doch Braun lehnte wegen anderweitiger Verpflichtungen ab.

Unvermittelt erwähnt Schütz in der nächsten E-Mail die "Financial Times", sagt scherzhaft (und in typisch österreichischer Satzstellung), Braun sei offenbar “ganz ein Schlimmer” und ermutigt ihn in seinem Vorgehen gegen das britische Blatt.

Für Jens Zimmermann, den SPD-Obmann im Wirecard-Untersuchungsausschuss, der Deutsche Bank-Chef Christian Sewing im Bundestag mit den E-Mails konfrontierte, färbt die Episode auch auf das Frankfurter Institut ab. “Die E-Mail ist ein seltener Einblick in die Gedankenwelt eines Aufsichtrates der Deutschen Bank und kein Ruhmesblatt fuer die grösste Bank in Deutschland,” sagte Zimmermann Bloomberg News. “Es ist ein schwerer Schlag für das Ziel der Deutschen Bank Vertrauen und Reputation zurückzugewinnen.”

Schütz hatte sich nach Bekanntwerden der E-Mails letzte Woche entschuldigt und in einer E-Mail an Bloomberg News gesagt, er habe damals geglaubt, dass die Vorwürfe gegen Wirecard unbegründet seien. Mittlerweile sei ihm klar, dass er falsch lag und seine Äußerung “emotional und deplatziert” gewesen sei.

(Bloomberg/cash)