Am 27. September stimmt die Schweiz über die Volksinitiative "Für eine massvolle Zuwanderung" (auch Begrenzungsinitiative, teilweise auch Kündigungsinitiative genannt) ab. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) hat die Initiative lanciert, weil in ihren Augen die im Februar 2014 vom Stimmvolk angenommene Masseneinwanderungsinitiative nicht umgesetzt wurde. cash gibt Antworten zu den wichtigsten Fragen zur Abstimmung, welche auch für die Schweizer Wirtschaft wichtig ist.

1. Was will die Initiative konkret?

Die Initiative verlangt, dass die Schweiz die Zuwanderung aus dem EU-Raum eigenständig steuert und die Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union kündigt. Die Schweiz soll mit der EU maximal 12 Monate Verhandlungen führen, um sich auf eine zukünftige Zusammenarbeit ohne Personenfreizügigkeit zu verständigen. Wird in diesem Zeitrahmen keine Einigung erzielt, soll die Personenfreizügigkeit seitens der Schweiz innerhalb von 30 Tagen einseitig gekündigt werden.

Zitat aus dem Initiativtext: "Es dürfen keine neuen völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen und keine anderen neuen völkerrechtlichen Verpflichtungen eingegangen werden, welche ausländischen Staatsangehörigen eine Personenfreizügigkeit gewähren."

2. Was sind die Argumente der Befürworter?

Die Befürworter der Initiative klagen darüber, dass die Schweiz die Kontrolle über die Zuwanderung verliere oder bereits verloren habe. Insbesondere der unkontrollierte Zustrom von Zuwanderern aus dem EU-Raum habe laut den Initianten zahlreiche negative Folgen für die Schweiz betreffend Arbeitsmarkt, Wohlstand und Lebensqualität.

So verdrängten EU-Zuwanderer neben Schweizern auch Arbeitnehmer aus Drittstaaten aus dem Arbeitsmarkt, die dann wiederum die Schweizer Sozialwerke belasteten. Andere negative Folgen seien Dichtetsress auf den Strassen und im öffentlichen Verkehr sowie steigende Mieten. Ausserdem würden billige Arbeitskräfte aus dem Ausland den Druck auf die Löhne hierzulande erhöhen.  

Zudem betonen die Initianten, dass die Schweiz weiterhin Fachkräfte, die es für die Wirtschaft brauche, aufnehmen dürfe und dies auch tun solle. Die Schweiz bleibe daher auch ohne Freizügigkeitsabkommen ein Einwanderungsland. Die Initiative wolle ausschliesslich die Personenfreizügigkeit kündigen. Die anderen Verträge der Bilateralen I sollen bestehen bleiben. Das müsse der Bundesrat verhandeln, so die Befürworter.

Abstimmungsvideo der AUNS. Der Verband befürwortet die Begrenzungsinitiative.

3. Was sagen die Gegner der Initiative?

Für die Gegner der Initiative würde ein Ja bei der Abstimmung insbesondere der Schweizer Wirtschaft schaden und somit den allgemeinen Wohlstand des Landes gefährden. Sie warnen davor, dass die im Initiativtext geforderte Kündigung der Personenfreizügigkeit die sogenannte Guillotine-Klausel auslösen würde. Diese besagt, dass sämtliche anderen Verträge der Bilateralen I, etwa betreffend der Beseitigung der technischen Handelshemmnisse, automatisch gekappt werden. Die Hoffnung, die Schweiz könne hier einen "Spezial-Deal" ohne Personenfreizügigkeit aushandeln, sei unrealistisch, da der freie Personenverkehr für die EU ein zentrales Element der Bilateralen Verträge sei.

Schweizer Unternehmen würden bei Annahme der Initiative den erleichterten Zugang zu ihrem wichtigsten Markt, dem EU-Binnenmarkt, verlieren, so die Initiativgegner. Zudem würde der Wegfall der "Konformitätsbewertungen" – ein Instrument zum Abbau technischer Handelshemmnisse zwischen Schweizer und EU-Firmen – insbesondere den KMU und exportorientierte Unternehmen schaden.

Ausserdem befürchten die Gegner, dass die Initiative den Fachkräftemangel in der Schweiz verschärfe. Die Schweiz sei auf die Zuwanderung von geschulten Fachkräften angewiesen. Das Freizügigkeitsabkommen ermögliche eine flexible und unbürokratische Rekrutierung aus dem EU-Ausland. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) betont, die Schweiz verdiene jeden zweiten Schweizer Franken im Verkehr mit dem Ausland. Die Öffnung des Schweizer Arbeitsmarktes gegenüber EU- und EFTA-Staaten habe der Schweizer Wirtschaft ein überdurchschnittliches Wachstum ermöglicht.

Abstimmungsvideo von Swissmem. Der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie ist gegen die Begrenzungsinitiative.

4. Wer ist dafür?

Die Begrenzungsinitiative wurde von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) gemeinsam mit dem parteinahen Verband Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) eingereicht. Die SVP unterstützt als einzige Bundesratspartei das Anliegen. Ausserdem befürworten auf Seiten der Parteien die Lega dei Ticinesi und die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) die Initiative.

Auf Verbandsseite spricht sich Avenir 50 plus für die Initiative aus. Die Organisation setzt sich für die Interessen von Erwerbslosen, Sozialhilfe-Empfängern und von Altersdiskriminierung betroffenen Personen ein.

5. Wer ist dagegen?

Ausser SVP, Lega dei Ticinesi und EDU empfehlen sämtliche Parteien im Parlament die Initiative zur Ablehnung, darunter die FDP, BDP, CVP, GLP, EVP, SP sowie die Grünen. Der Nationalrat sprach sich mit 142 zu 53 Stimmen und der Ständerat mit 37 zu 5 Stimmen gegen die Initiative aus. Auch der Bundesrat empfiehlt ein Nein am Abstimmungssonntag,

Neben den Parteien spricht sich auch die Mehrheit der Verbände dafür aus, die Initiative abzulehnen. Sowohl die Wirtschaftsverbände Economiesuisse, Schweizerische Gewerbeverband und Schweizerischer Arbeitgeberverband gehören zu den Initiativ-Gegnern als auch die Gewerkschaften Syna, Unia sowie der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB).

6. Wie stehen die momentanen Chancen?

Gemäss der am 20. August publizierten SRG-SSR-Trendbefragung könnte es die Initiative an der Wahlurne schwer haben. Rund 61 Prozent der Stimmwilligen lehnten die Begrenzungsinitiative ab. 35 Prozent sprachen sich dafür aus. Die Befragung wurde Anfang August durchgeführt.

Bei Volksinitiativen ist es typisch, dass sich der Ja-Anteil zu Beginn des Abstimmungskampfes auf höherem Niveau befindet und bis zur endgültigen Abstimmung zunehmend abnimmt. Überwiegt der Nein-Anteil – wie jetzt bei der Begrenzungsinitiative – ist es für das Ja-Lager meist schwierig, das Ruder noch herumzureissen.