"Der Brexit macht uns Sorgen", sagte etwa Mark Okerstrom, Chef der Online-Buchungsplattform Expedia, auf der Reisemesse ITB der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. Die Flugbuchungen von und nach Grossbritannien lägen für die Zeit nach dem 29. März deutlich unter dem Vorjahr. Der Lobbyverband "Visit Britain" hat sogar einen regelrechten Einbruch beobachtet. "Es fühlt sich an, als würden wir am Abgrund stehen", sagte Caroline Bremner, Tourismusexpertin der Marktforschung Euromonitor, bei einer ITB-Konferenz. Die Unsicherheit, ob das Land am 29. März geordnet, ungeordnet oder noch gar nicht aus der EU austritt, belaste Verbraucher und die Unternehmen der Tourismuswirtschaft.

Nach Einschätzung der Wirtschaftsforscher von Oxford Economics könnten die Reisebuchungen der Briten nach einem harten Brexit im kommenden Jahr um fünf Prozent zurückgehen. Euromonitor erwartet bei einem ungeregelten Brexit von 2019 bis 2025 gut 4,7 Milliarden Euro geringere Ausgaben der Briten für Auslandsreisen. Die Verbraucher machten sich derzeit vor allem Gedanken über Visumpflicht, Versicherungsfragen oder ob sie künftig einen internationalen Führerschein für EU-Länder brauchen, erklärte Bremner. Die Visum-Frage sei so geregelt, dass ab 2021 ein System mit mehrjähriger Einreiseerlaubnis nach dem Vorbild der ESTA-Prozedur der USA eingeführt werde.

"Wir sehen nicht, dass Kunden gar nicht buchen, sondern gegebenenfalls mit ihrer Entscheidung etwas länger warten", sagte Christoph Debus, Chef der Airline-Gruppe des Reisekonzerns Thomas Cook. Der Brexit sei auch für den Luftverkehr ein Risiko, aber die Reiseveranstalter bekämen die Folgen stärker zu spüren. "Es kann eine kleine Delle geben, eher für die Veranstalter als für die Fluglinien", erklärte er. Am Ende zahlten vor allem die Verbraucher die Rechnung für das politische Chaos. "Das ist unakzeptabel." Das Parlament in London müsse in der kommenden Woche eine Lösung finden.

Damit der Flugverkehr reibungslos auch nach einem EU-Austritt ohne Vertrag weitergeht, vereinbarten die Europäische Union und Grossbritannien zwölf Monate Übergangsfrist, in denen Verkehrsrechte und Sicherheitsstandards weitergelten. "Durch den Brexit erwarte ich kein Flug-Chaos", sagte Thomas-Cook-Manager Debus.

Spanien könnte am stärksten leiden

Das beliebteste Urlaubsland der Briten, Spanien, wäre mit einem Minus von einer Milliarde Euro bis 2025 nach den Daten von Euromonitor am härtesten getroffen, gefolgt von den USA, Frankreich und Italien. Mit neun Prozent sind die Briten die grösste Urlaubergruppe in Spanien. Die Tourismuswirtschaft macht zwölf Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Mehr als 300.000 Briten haben einen Wohnsitz in Spanien. Die Regierung in Madrid hat geregelt, dass diese ihr Aufenthaltsrecht und so wie britische Touristen auch den Zugang zu Gesundheitsleistungen nicht verlieren. Die Reiseveranstalter locken die Urlauber mit hohen Frühbucherrabatten, niedrigen Anzahlungen oder kostenfreien Plätzen für Kinder, erklärte Euromonitor-Forscherin Bremner. Auch Anbieter aus Griechenland und der Türkei buhlten mit günstigen Preisen um die britischen Gäste.

Auch die Tourismuswirtschaft innerhalb des Vereinigten Königreichs befürchtet, dass die Urlauber vom europäischen Kontinent ausbleiben. Schon im vergangenen Jahr gingen die Besucherzahlen um mehr als fünf Prozent auf 37,5 Millionen zurück. Der Verband Visit Britain hofft jetzt auf eine Erholung, weil dank des niedrigeren Pfund-Kurses mehr Touristen aus den USA oder China kämen. Einen starken Rückgang erwartet Euromonitor ausserdem bei den Geschäftsreisen nach Grossbritannien im Fall eine harten Brexit.

Die Regierung in London habe zwar klargestellt, dass kein Tourist an der Grenze abgewiesen werde, sagte Kate Nicholls, Chefin des Tourismusverbandes UK Hospitality, am Rande der ITB. "Aber die Regierung muss mehr tun, um die Stimmung der Besucher aus Kontinentaleuropa zu verbessern, das ist unser wichtigster Markt."

(Reuters)