Das zeigt der Umgang der Investoren mit den Papieren von Saudi-Arabien, Brasilien und China. Denn nicht immer nehmen es die Staaten mit den Themen Nachhaltigkeit, Umwelt und Menschenrechte so genau. Und viele Investoren sind bei der Jagd nach Rendite offenbar allzu bereit, beim Kauf solcher Papiere ein Auge zuzudrücken - auch wenn die Anleihen bei einem Anspruch auf politische Korrektheit eigentlich in hohem Bogen aus dem Depot fliegen müssten.

Zur Beurteilung einer derartigen Anlage dienen die im Englischen mit dem Kürzel für 'environmental, social and governance' (ESG) verbundenen Kriterien – E steht für Umwelt, S für Soziales und G für eine gute Unternehmens- oder Staatsführung. Beim G dürfte es bei Saudi-Arabien Probleme geben, denn die USA werfen dem arabischen Staat den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi vor. Einen Bericht der US-Geheimdienste zufolge hat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman 2018 den Einsatz zur Tötung des Exilkritikers in Istanbul höchstselbst genehmigt.

Der Fondsmanager Dominic Armstrong von Horatius Capital ging nach Veröffentlichung des Berichts im Februar eigentlich davon aus, dass von dem Geschehen angewiderte Investoren "mit den Füssen abstimmen" und die Papiere des Königreichs abstossen würden. Doch das Gegenteil war der Fall: Die Nachfrage nach auf Euro denominierten Anleihen des Königreichs war so hoch, dass die Investoren sogar draufzahlten, um an die Anleihen des größten Öl-Exportlandes der Welt zu gelangen. Die Anleger können sich bei den Investments wohl auch darauf berufen, dass Kronprinz Salman jede Mitwirkung an dem Verbrechen von sich weist.

Auch wenn derzeit Milliarden in Anlagen fliessen, die den Standards gerecht werden, so fristen sie doch weiterhin ein Mauerblümchendasein am Markt für Staatsanleihen. Dieser wiederum ist Teil der weit größeren Welt der Festverzinslichen Wertpapiere, die in Sachen ESG ohnehin hinterher hinkt. Über entsprechende Fonds gemanagte Gelder summieren sich auf nicht einmal 300 Milliarden Dollar in einem Gesamtmarkt für Schuldtitel im Volumen von 130 Billionen Dollar, wie aus Zahlen des Finanzinformationsanbieters Morningstar hervorgeht. Zum Vergleich: Bei Firmenanleihen ist der ESG-Anteil am Kuchen mit einem Volumen von fast einer Billion Dollar angesichts eines globalen Gesamtmarkts von 88 Billionen Dollar weit größer.

Ausschlusskriterium Menschnerechte?

Wer bei Staatsanleihen primär darauf schaut, was Papiere abwerfen, kommt an den Staatsanleihen Chinas kaum vorbei: Es locken Renditen in Höhe von drei Prozent, bei einer Bonität der Papiere von A+. Doch auch hier dürfte für auf politisch korrekte Anlagen achtende Investoren das Agieren der Staatsführung ein Ausschlusskriterium für den Kauf der Papiere sein: Die EU-Außenminister hatten jüngst Sanktionen gegen die Volksrepublik wegen des Umgangs mit der muslimischen Minderheit der Uiguren beschlossen. Doch ausländische Investoren griffen zuletzt sogar verstärkt zu Papieren der Volksrepublik: Die Kaufbestände legten Stand Ende Februar um 3,1 Prozent gegenüber dem Vormonat zu.

Doch andere Staaten bekommen verstärkt den Unmut von Investoren zu spüren - so etwa Brasilien. Eine Gruppe von Fondsmanagern warnte die Regierung in Brasilia in jüngst, dass sie Anleihen des Landes abstossen würden, falls der Staat der weiteren Abholzung des Amazon-Regenwalds nicht Einhalt gebiete. Laut Vizepräsident Hamilton Mourao hat die Regierung Militär mobilisiert, um die Abholzung zu bekämpfen.

Ob diese Versicherung den Investoren genügt, bleibt abzuwarten. Denn die Mittel für den Einsatz seien begrenzt, liess der Politiker die Welt wissen. Dabei drängt die Zeit. Allein 2020 wurden in dem auch für das Weltklima wichtigen Gebiet Flächen von der siebenfachen Größe von London abgeholzt - der umfangreichste Kahlschlag binnen zwölf Jahren.

(Reuters)