Der 39-jährige ehemalige Wirtschaftsminister avanciert zum Shootingstar des Wahlkampfs. Seine Bewegung "En Marche" wird von einer Welle der Begeisterung getragen und mischt das Parteiensystem gehörig auf.

Seit der Gründung im April 2016 haben sich ihr über 230'000 Franzosen angeschlossen. "Macron hat aus dem Nichts eine Bewegung geschaffen, die einen Nerv zu treffen scheint. Das hätte ihm keiner zugetraut", sagt Frank Baasner, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts (dfi) in Ludwigsburg. Um in den Elysee-Palast einzuziehen, muss Macron allerdings zunächst die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen ausstechen.

Macron ist der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat in der Geschichte der Französischen Republik, der jemals ohne die Unterstützung einer etablierten Partei angetreten ist. Laut dem deutschen Philosophen Jürgen Habermas hat Macron mit seiner Bewegung das starre Links-Rechts-Schema durchbrochen, das die Parteienlandschaft seit der Französischen Revolution prägt. Er habe damit "eine seit 1789 unangetastete rote Linie" überschritten, bescheinigte Habermas dem "En Marche"-Anführer jüngst bei dessen Besuch in Berlin.

"En Marche" trägt nicht nur die Initialen Emmanuel Macrons in ihrem Namen, sondern vermittelt auch dessen Kernbotschaft: "Vorwärts". "Der Kandidat steht für ein neues, zukunftsorientiertes Frankreich, das keine Angst hat vor Globalisierung, europäischer Integration oder kultureller Vielfalt", sagt Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). "Macron ist hier das Gegenbild zu Le Pen: Er steht für Öffnung, Le Pen steht für Abschottung." Macron und seiner rechtsextremen Rivalin werden die besten Chancen für die erste Wahlrunde am 23. April eingeräumt, so dass sie in der Stichwahl am 7. Mai aufeinandertreffen dürften. In diesem Fall prophezeien die Umfragen einen haushohen Sieg Macrons.

Fillon bleibt wichtige Figur im Rennen

Frankreich-Beobachterin Demesmay ist sich jedoch keineswegs sicher, dass Macron tatsächlich neben Le Pen die erste Wahlrunde überstehen wird. Für sie bleibt auch Francois Fillon, der Kandidat der Konservativen, eine wichtige Figur im Rennen: "Fillon hat im Vergleich zu Macron weniger zu verlieren: Er hat einen festen Unterstützer-Kreis". Für den durch eine Scheinbeschäftigungsaffäre in den Umfragen zurückgefallenen Konservativen könne es nur noch besser werden: "Wenn sich Macron hingegen einen Fauxpas erlaubt, kann er auch noch verlieren – es geht nur um ein paar Prozentpunkte".

Noch schwieriger könnte es aus Sicht der Expertin dann bei der Parlamentswahl im Juni werden. Ob Macron als Präsident tatsächlich seinen angekündigten Reformkurs durchsetzen kann, hängt entscheidend davon ab, ob er eine eigene Hausmacht in der Nationalversammlung aufbauen kann. "En Marche" hat dazu in allen 577 Wahlkreisen der Republik Kandidaten aufgestellt. Die Hälfte von ihnen sind keine Berufspolitiker.

"Im Moment profitiert die Bewegung von einer sehr speziellen Dynamik: von der Affäre, die Fillon schwächt, und von der sehr linken Position des sozialistischen Kandidaten Benoit Hamon", erklärt Demesmay. Die Schwäche dieser Kandidaten mache es Macron leichter, im gegnerischen politischen Lager auf Wählerfang zu gehen. "Bei den Parlamentswahlen wird er in der Mitte der politischen Landschaft viel weniger Spielraum haben", meint Demesmay.

Henrik Enderlein, Direktor des Jacques-Delors-Instituts in Berlin, sieht Macrons Kampf um die Präsidentschaft eher sportlich: "Eigentlich ist es sein Rennen und er liegt deutlich vorn. Natürlich liegt man in einem Rennen nie uneinholbar vorn - aber wenn keine großen Stolpersteine mehr auf dem Weg liegen, dann müsste es Macron eigentlich nach Hause bringen." Enderlein ist zudem überzeugt: "Die französische Politik wird durch nichts so sehr geprägt, wie durch die Präsidentschaftswahl." Ein Sieg Macrons am 7. Mai würde demnach auch über Leben oder Tod seiner Bewegung entscheiden: "Wenn Macron die Präsidentschaftswahl gewinnt, kann 'En Marche' bei den folgenden Parlamentswahlen sehr gut abschneiden. Wenn er nicht gewinnt, wird die Bewegung vielleicht gar nicht überleben." 

(Reuters)