Zwölf Seiten umfasst das Sondierungspapier der angestrebten Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP. Davon machen die Europa-, Aussen- und Sicherheitspolitik gut eineinhalb Seiten aus - die sich nicht ohne Grund am Ende des Dokuments finden. Denn während es in anderen Politikfeldern bereits sehr weitgehende Festlegungen gibt, dominieren in diesen Bereichen an entscheidenden Punkten eher Leerstellen. "Das liegt einfach daran, dass die drei Parteien in diesen Felder weitgehend übereinstimmten", erklärt einer der Sondierer gegenüber Reuters die knappen Passagen. Andere räumen allerdings ein, dass es schwierige Knackpunkte gebe, die erst in den Koalitionsverhandlungen geklärt werden sollen - auch um den Einstieg in Gespräche nicht zu gefährden. Dies wird an drei Beispiele deutlich.

Beispiel eins: Finanzen in Europa

So wird in dem Papier festgehalten, dass "der Stabilitäts- und Wachstumspakt seine Flexibilität erwiesen hat". Dies gilt bei SPD und FDP als Chiffre dafür, dass man den Forderungen der Grünen nicht folgt, dass die europäischen Schuldenregeln gelockert werden müssten, wie dies auch Frankreich oder Italien wollen. Allerdings ist die Formulierung bewusst offen gehalten, so dass verschiedene Interpretationen möglich sind. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte in einer Schalte der Landesgruppe am Freitag nach Teilnehmerangaben, dass die Ampel-Sondierer eben keine Aussage etwa gegen Eurobonds getroffen hätten und die Tür für eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa deshalb offen stehe.

Dies dürfte in den Koalitionsverhandlungen erneut Thema werden: Denn die FDP bestand strikt auf eine Absage einer Vergemeinschaftung der Schulden in der EU oder der Eurozone. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte dagegen in seiner bisherigen Funktion als Finanzminister die erstmalige Schuldenaufnahme der EU-Kommission als Einstieg in eine neue EU-Finanzarchitektur bezeichnet. In den Ampel-Parteien liebäugelt man nach Angaben von Sondierern auch damit, die Rückzahlung der Schulden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds zu vertagen, um finanzielle Spielräume zu schaffen.

Beispiel zwei: Russland und Nord Stream 2

Leerstellen finden sich aber auch in der Aussenpolitik. Die Stichworte "China" und "Russland" tauchen auf den zwölf Seiten kein einziges Mal auf. Das liegt auch daran, dass es hier Differenzen zwischen den eher realpolitisch argumentierenden Sozialdemokraten und den bisherigen Oppositionsparteien Grüne und FDP gibt, die eine härtere Haltung einfordern.

Auch die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 findet sich nur versteckt in dem Dokument - in den letzten beiden Sätzen. "Wir wollen die Energieversorgung für Deutschland und Europa diversifizieren. Für energiepolitische Projekte auch in Deutschland gilt das europäische Energierecht", heisst es da. Aus diesen Sätzen lesen die Grünen etwas anderes als die SPD. "Das Thema Nord Stream 2 ist eigentlich durch, weil die Pipeline schon fertiggestellt ist", heisst es dort. Man müsse sich nun eher darauf konzentrieren, dass die Ukraine Transitland für russisches Gas bleibe und man auch andere Gasquellen finde.

Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer erklärte dagegen auf Twitter, dass man zwar aus Rücksicht auf die SPD die Pipeline nicht namentlich erwähnt habe. "Aber die Verpflichtung auf die Massstäbe des europäischen Energierechts formuliert eine erhebliche Hürde, die Nord Stream 2 nicht einfach überwinden wird", fügt er mit Blick auf die von der EU vorgeschriebene Entflechtung hinzu. Bei der SPD wiederum wird darauf verwiesen, dass längst klar sei, dass für die Betriebsgenehmigung nur noch deutsche Stellen zuständig seien. Welche Position genau eine Ampel-Regierung zu Nord Stream 2 einnehmen soll, muss also noch geklärt werden. Die Pipeline erreicht Deutschland an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern. In der SPD heisst es mit Blick auf die einflussreiche Ministerpräsidentin des Landes, Manuela Schwesig (SPD), aber warnend: "Scholz dürfte ein massives Problem mit Schwesig bekommen, sollte er die Inbetriebnahme noch verhindern wollen."

Beispiel drei: Verteidigungsetat

In dem Papier findet sich keine Festlegung zu den künftigen Verteidigungsausgaben. Es wird nur allgemein betont, dass man die Nato als "unverzichtbaren Teil" der Sicherheit ansehe. Das ist zwischen SPD, FDP und Grünen ebenso wenig strittig wie die Bemerkung, dass die Ausrüstung der Bundeswehr verbessert werden soll. Aber es findet sich in dem Text nur eine Festlegung zur Entwicklungspolitik. Die UN-Staaten hatten sich verpflichtet, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung als Hilfe zu zahlen. "Wir wollen sicherstellen, dass Deutschland seine internationalen Verpflichtungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und internationalen Klimafinanzierung erfüllt", heisst es. Eine ähnliche Formulierung findet sich allerdings nicht zu der Selbstverpflichtung der Nato-Staaten, zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben.

(Reuters)