Der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau betonte am Dienstag, er sehe keinen Grund für die Europäische Zentralbank, 2022 die geldpolitischen Zügel zu straffen. Doch bleibe die EZB mit Blick auf die Inflation "sehr wachsam", sagte Villeroy. Bereits zu Wochenbeginn hatte sein italienischer Kollege Ignazio Visco erklärt, Erwartungen an den Märkten über eine Zinserhöhung Ende 2022 stünden nicht im Einklang mit dem geldpolitischen Ausblick der EZB - im Fachjargon Forward Guidance genannt.

Die EZB hat die rekordtiefen Zinsen in dem im Sommer aktualisierten Ausblick praktisch auf lange Zeit festgeschrieben und den Investoren damit eine Orientierungslinie gegeben. Dennoch war zuletzt am Geldmarkt darüber spekuliert worden, dass die EZB Ende kommenden Jahres die Zinsen anheben könnte.

Die Teuerungsrate im Euro-Raum war im September mit 3,4 Prozent so hoch wie seit 13 Jahren nicht mehr. Ein Großteil des derzeitigen Auftriebs ist nach Ansicht der Währungshüter jedoch nur vorübergehend und durch die Folgen der Corona-Krise bedingt - so etwa Lieferkettenprobleme und Materialengpässe. Die EZB will laut ihrer Forward Guidance die Leitzinsen so lange auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau halten, bis zu sehen ist, dass die Inflation zwei Prozent erreicht und sich in diesem Bereich festsetzt. Das könnte auch eine Übergangszeit von Teuerungsraten moderat über zwei Prozent bedeuten.

Die EZB peilt als optimalen Wert für die Wirtschaft eine Rate von zwei Prozent an. Die Inflation im Euro-Raum lag im September mit 3,4 Prozent allerdings sehr weit darüber. Der derzeit starke Preisauftrieb setzt die EZB laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde jedoch nicht unter Handlungsdruck. Die Währungshüter gehen in ihrem Basis-Szenario davon aus, dass die Teuerungsrate nach dem Inflationsschub von 2021 in den kommenden Jahren wieder unter dem Zielwert landen wird.

Den Leitzins zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld liegt im Euro-Raum auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent - der Einlagesatz bei minus 0,5 Prozent. Die Geldhäuser müssen damit Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank parken.

Während die EZB offenbar in puncto Zinsen den Ball eher flach halten will, zeichnet sich jenseits des Ärmelkanals eine baldige Anhebung ab. Der Chef der Bank of England, Andrew Bailey, hat den Anlegern jüngst einen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben: Es gelte zu handeln, wenn man mittelfristig das Risiko von Inflation sehe. Derzeit liegt der Leitzins in Großbritannien bei 0,1 Prozent. Anleger stellen sich bereits auf zwei Leitzinserhöhungen bis zum Jahresende ein, der weitere Schritte nach oben im kommenden Jahr folgen sollen.

(Reuters)