Der Leitzins der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wird Mitte des nächsten Jahres 1,5 Prozent betragen, Das schätzt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, in einem aktuellen Marktkommentar. Grund: Die Inflation wird in der Schweiz länger hoch bleiben, was die Nationalbank zum Handeln zwingen wird. 

Im nächsten Jahr werde der Inflationsdruck durch die Konjunkturverlangsamung zwar abnehmen, die Inflationsrate werde aber Ende 2023, gemessen an Schweizer Verhältnissen, immer noch hoch sein, ist Stucki, der früher Anlagechef der SNB war, überzeugt. "Dies wird der SNB nicht gefallen, weshalb sie ihren Leitzins in mehreren Schritten weiter anheben wird".

Tritt Stuckis Zins-Prognose von 1,5 Prozent ein, dann wird die SNB das Tempo bei den Zinserhöhungen hoch halten müssen. Die meisten Marktbeobachter gehen derzeit davon aus, dass die SNB im September einen Zinsschritt von 0,5 Basispunkten von minus 0,25 auf plus 0,25 Prozent vornimmt. Damit würde der Schritt aus dem Negativzins-Bereich vollzogen.

Im Dezember könnte dann nochmals eine Anhebung um 0,25 oder 0,5 Basispunkte folgen. Damit läge der Leitzins bei 0,5 oder 0,75 Prozent. Um Stuckis "Zinsziel" zu erreichen, müsste die SNB im ersten Halbjahr 2023 den Leitzins dann nochmals um bis zu 1 Basispunkt erhöhen.

Die SNB hatte Mitte Juni in einem überraschend grossen Schritt den Leitzins von minus 0,75 auf minus 0,25 Prozent erhöht. Als Grund gab sie die anziehende Teuerung an. Es war der grösste Zinsschritt der Nationalbank seit 22 Jahren.

Teuerung wird hoch bleiben

Die Teuerung in der Schweiz dürfte sich auf mittelfristige Sicht weniger rasch zurückbilden als bislang erwartet. Das prognostizieren zum Beispiel auch Ökonomen von Raiffeisen und der UBS, welche ihre Inflationsprognose für das laufende Jahr markant erhöht haben. Raiffeisen erwartet nun für 2022 eine durchschnittliche Jahresteuerung von 3 statt 2,5 Prozent, die UBS eine von 3,1 statt 2,7 Prozent. Im Juni und Juli erreichte die Teuerung mit 3,4 Prozent den höchsten Wert seit 1993.

Die Teuerungsprognose der UBS für 2023 lautet auf 2,1 Prozent. In der zweiten Jahreshälfte 2023 dürfte die Inflation laut der Prognose wieder deutlich unter die 2-Prozent-Marke sinken. Stucki sieht eine ähnliche Entwicklung: "Im nächsten Jahr wird der Inflationsdruck durch die Konjunkturverlangsamung abnehmen, die Inflationsrate mit 1,5 Prozent Ende 2023 für die Verhältnisse in der Schweiz aber immer noch hoch sein".

In den USA ist gemäss Thomas Stucki das Top der Inflationsrate wahrscheinlich bereits überschritten, da das Benzin wieder billiger werde und die Nachfrage nach Rohstoffen aufgrund der abzeichnenden Konjunkturabschwächung zurückgehe. "In der Eurozone und in geringerem Masse auch in der Schweiz zeigt der Trend jedoch immer noch nach oben", ergänzt der Ökonom.

(cash)