Viele Banker und Börsenhändler übernachten inzwischen in ihren Büros auf Campingbetten, ernähren sich von Instantnudeln oder abgepackten Mahlzeiten. Denn das Herz der Finanzwirtschaft der Volksrepublik soll auch trotz der harten Anti-Covid-Maßnahmen weiter schlagen. Zwar arbeiten die Finanzmärkte Shanghais größtenteils noch ohne Unterbrechung, doch die Anzeichen mehren sich, dass die Sperrungen und Einschränkungen inzwischen ihren Tribut fordern. Pläne für ein Börsenlistung werden von Unternehmen auf Eis gelegt. Das Handelsvolumen beim Yuan ist bereits über ein Zweijahrestief hinaus gesunken.

Mitarbeiter, die in den Büros geblieben sind, erhalten beispielsweise Luftmatratzen, Kissen und Decken und sind auf spärliche Waschgelegenheiten angewiesen. "Kollegen müssen sich ein schäbiges Duschbad im Gebäude teilen", klagte ein ausländischer Banker, der namentlich nicht genannt werden wollte. Seit dem 28. März haben sich schätzungsweise 20'000 Finanzmarktprofis und andere Beschäftigte in ihren Bürotürmen im Stadtteil Lujiazui eingebunkert, nachdem die Stadt einen Lockdown für Virustests angeordnet hatte.

Die scharfen Bewegungseinschränkungen im Osten der Metropole, die ursprünglich nur vier Tage andauern sollten, sind danach auf die ganze Stadt ausgedehnt worden. Ein Ende ist nicht absehbar. Für den staatsdominierten Finanzsektor von Shanghai ist das aufrechterhalten der Geschäfte während des Lockdowns ein Ziel, das nicht verfehlt werden darf. Der Chairman der Bank of Communications, eines der wichtigsten Geldhäuser im Reich der Mitte, forderte Mitarbeiter bei einem internen Treffen am Dienstag dazu auf, unbedingt einen Geschäftsstopp zu vermeiden. Dabei verglich er seinen Aufruf mit einem "militärischen Befehl". In den Büros und Besprechungsräumen wurden eigens Zelte und Bettenlager errichtet, um den Beschäftigten Übernachtungsmöglichkeiten zu bieten. Dies geht aus Fotos hervor, die Chinas fünftgrößtes Institut kursieren ließ.

Die staatliche Broker-Firma Haitong Securities erklärte, auch ihr Chairman Zhou Jie habe sich entschieden, zusammen mit 150 wichtigen Mitarbeitern in den Büros zu bleiben, um einen reibungslosen Geschäftsbetrieb sicherzustellen. Beschäftigte, die Mitglieder der kommunistischen Partei sind, wurden zudem aufgefordert, im Kampf gegen das Virus "vorwärts zu preschen."

Rekordzahl an Neuinfektionen

Shanghai meldete am Freitag eine Rekordzahl von 21.000 neuen Corona-Fällen. Zudem kündigte die Stadt für seine 26 Millionen Einwohner einen dritten Tag in Folge mit Cavid-Tests an. Die wichtigsten Betreiber von Finanzinfrastruktur in der Metropole, darunter das Foreign Exchange Trade System, der Bankkartenabwickler China Union Pay und das Clearinghaus von Shanghai haben jeweils Notfallmaßnahmen vorgestellt, um ihren Geschäftsbetrieb weiterführen zu können. In Shanghai sind zudem zahlreiche Brokerhäuser und Vermögensverwalter ansässig. Im vergangenen Jahr wurden in der Stadt Finanztransaktionen im Wert von rund 2500 Billionen Yuan (393 Billionen Dollar) abgewickelt.

Bankern und Händlern zufolge ist allerdings der Zugang zu Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Dingen wie Wasser in Flaschen bislang kein Problem gewesen. Unternehmen und die Lokalregierungen hätten der Versorgung Vorrang eingeräumt, um Engpässe zu verhindern, mit denen viele andere Stadtbewohner zurechtkommen müssten. Wie Hedgefond-Manager Shen Yi erläuterte, haben er und einige Mitarbeiter während des Lockdowns im Büro seiner Firma Shanghai Shenyi Investment bleiben müssen, um einen reibungslosen Handel und die Erfüllung aufsichtlicher Anforderungen sicherzustellen. Shen wies darauf hin, dass ein Caterer jeden Tag abgepackte Reismahlzeiten in das Büro liefert. "Wir essen einfach ein bisschen einfacher", merkte er an.

Händler, die dagegen von zu Hause aus arbeiten und sich selbst um ihre Mahlzeiten kümmern müssen, beginnen dagegen allmählich, etwas neidisch zu werden. "Um ehrlich zu sein, mache ich mir in diesen Tagen eher Sorgen darum, wie ich an Lebensmittel und Gemüse komme, und nicht um die Arbeit", sagte ein Händler, der nicht genannt werden wollte.

(Reuters)