Zur dritten Tarifrunde in Wolfsburg protestierten Tausende vor dem Verhandlungssaal lautstark gegen die Sparpläne. Die IG Metall sprach von mehr als 7.000 Teilnehmern, die aus allen zehn deutschen VW-Werken in Niedersachsen, Hessen und Sachsen nach Wolfsburg gekommen waren. Gewerkschaft und Betriebsrat fordern einen raschen Tarifabschluss.
Bei der Tarifrunde, die am Nachmittag noch andauerte, wollten beide Seiten auch über das Zukunftskonzept von IG Metall und Betriebsrat reden, mit dem die Kosten ohne Werkschliessungen und Entlassungen gesenkt werden sollen. VW hatte zunächst zurückhaltend auf den Vorstoss reagiert, zeigte sich aber offen für Gespräche.
Bei der Tarifrunde wolle man dazu «in einen detaillierteren Austausch gehen». Zugleich betonte das Unternehmen: Es bleibe aber bei den finanziellen Einspar-Zielen des Konzerns. Auch Werksschliessungen seien damit weiter nicht ausgeschlossen.
Die Verhandlungen starteten mit einer halben Stunden Verspätung. Bei dem Protest vor den Gesprächen wurde auf Transparenten unter anderem gefordert «Zukunft statt Kahlschlag» oder «Alle Werke müssen bleiben». Sprechchöre skandierten mit Blick auf mögliche Warnstreiks: «Wir sind bereit.» Denn noch sind Arbeitsniederlegungen ausgeschlossen.
«Das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was ab Dezember passiert, wenn das Unternehmen unsere konkreten Lösungsvorschläge nicht ernst nimmt», warnte Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Denn am 30. November endet bei VW die Friedenspflicht. Danach sind auch Warnstreiks möglich.
Ab Dezember Warnstreiks möglich
«Heute ist die allerletzte Chance für Volkswagen, noch vor Auslauf der Friedenspflicht zu einer guten Lösung zu kommen, die ohne Werksschliessungen und Massenentlassungen auskommt», warnte IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. Ansonsten drohe ab 1. Dezember eine Eskalation. «Wenn es heute zu keiner Lösung kommt, dann gibt es keine weitere Chance mehr im November. Dann werden wir den Arbeitskampf vorbereiten.»
Er hoffe aber weiter auf eine Einigung noch vor Weihnachten, so Gröger. Doch dafür müsse sich VW bewegen. «Ansonsten kann Volkswagen sich ab Anfang Dezember darauf gefasst machen: Hinter jedem Adventskalendertürchen steckt eine Überraschung.»
Gewerkschaft und Betriebsrat hatten am Mittwoch ihren eigenen Plan für die Zukunft von VW vorgestellt. Insgesamt 1,5 Milliarden Euro an Entlastungen soll das nach Angaben der IG Metall allein bei den Arbeitskosten bringen. Mögliche Tariferhöhungen für 2025 und 2026 sollen nicht ausgezahlt werden, sondern in einen Fonds für flexible Arbeitszeitverkürzungen fliessen.
Damit gehe man an die Grenze dessen, was der Belegschaft zumutbar sei, so Gröger. Im Gegenzug verlangen IG Metall und Betriebsrat einen Verzicht auf Werkschliessungen und betriebsbedingte Kündigungen. Und auch Vorstand und Aktionäre müssten einen Beitrag leisten. Sonst wird es laut Cavallo auch keinen Beitrag der Arbeitnehmer geben.
VW fordert «Minus-Runde»
Voraussetzung wäre aber, dass VW in der laufenden Tarifrunde zum Haustarif den jüngsten Pilotabschluss für die Metall- und Elektroindustrie übernimmt, der eine Erhöhung um 5,1 Prozent in zwei Stufen vorsieht. Für VW, wo nach Haustarif gezahlt wird, gilt das aber nicht automatisch. Und Volkswagen lehnt bisher jede Erhöhung ab und fordert stattdessen eine «Minus-Runde»: Die Löhne, die bei VW über dem Branchentarif liegen, sollen pauschal um zehn Prozent gekürzt werden.
Mit Blick auf Werkschliessungen und betriebsbedingte Kündigungen hatte VW dagegen zuletzt signalisiert, auch über Lösungen sprechen zu wollen, die ohne Entlassungen und Werksschliessungen auskommen. Allerdings nur, wenn die von VW gesteckten Sparziele trotzdem erreicht werden.
Die Kernmarke Volkswagen hat seit Jahren mit hohen Kosten und einer schwachen Rendite zu kämpfen. Mit den Sparmassnahmen soll die Rendite der Kernmarke bis 2026 auf 6,5 Prozent steigen. VW begründet das vor allem mit den anstehenden Investitionen etwa für neue Elektro-Modelle, die finanziert werden müssen.
Der VW-Haustarif gilt für rund 120.000 Beschäftigte an den sechs grossen westdeutschen VW-Standorten in Niedersachsen und Hessen.
(AWP)