"Zur Sicherung der AHV benötigt es mutige Schritte und Massnahmen, die deutlich über Beitrags- oder Mehrwertsteuererhöhungen sowie die Anhebung des Rentenalters hinausgehen", schreiben die Vorsorgeexperten Martin Wechsler und Fabian Thommen in einer jüngst erschienen Studie.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Reform AHV 21 greife zu kurz, argumentieren darin die beiden Autoren. Bereits 2029 würde die AHV wieder in die roten Zahlen rutschen. In der Studie wird etwa die Wirksamkeit eines höheren Frauenrentenalters in Frage gestellt, da es bereits heute für viele ältere Arbeitnehmende schwierig sei, eine Stelle zu finden.
Sonderfonds mit SNB-Geldern
Wechsler und Thommen kritisieren aber nicht nur die anstehende Reform, sondern bringen auch einen konkreten Lösungsvorschlag für das gegenwärtige Dilemma in der 1. Säule, welcher "innovativ" sowie "einfach und rasch" umsetzbar sei.
Von den insgesamt fast 800 Milliarden an Devisenreserven der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sollen demnach 500 Milliarden in einen speziellen Fonds ausgelagert werden. Damit dieser geldpolitisch neutral bleibe, dürfe er nicht verbraucht werden. Der Ertrag dieses Fonds käme dann vollumfänglich der AHV zugute. Die Studie rechnet mit jährlich 2 Prozent Einnahmen, was 10 Milliarden Franken Zustupf für die AHV pro Jahr bedeutete.
Diese Einnahmen genügten, um die AHV zumindest bis ins Jahr 2039 auf ein stabiles Fundament zu stellen:
Die Grafik stellt die Entwicklung des Vermögens im AHV-Ausgleichsfonds unter drei Szenarien dar: Die graue Linie zeigt die Ist-Situation, mit der im Mai 2019 angenommenen "Steuerreform und AHV-Finanzierung" (STAF). Die rote Linie prognostiziert die Entwicklung, sollte die Reform AHV 21 durchkommen und die blaue Linie zeigt den Effekt des Vorschlags mit dem SNB-Sonderfonds und den 10 Milliarden Franken AHV-Einnahmen pro Jahr.
Wechsler und Thommen kommen zum Schluss, dass mit den zusätzlichen Kapitalerträgen aus dem SNB-Sondervermögen die AHV langfristig saniert werde. Zwar falle ab 2039 das Betriebsergebnis des AHV-Fonds auch in diesem Szenario negativ aus, doch weise dieser dann noch immer über 130 Milliarden Franken Reserven auf, so dass das Defizit noch viele Jahre durch das Fondskapital gedeckt werden könne.
Auch mit dem SNB-Auftrag sehen die beiden diesen Vorschlag vereinbar: Gemäss Gesetz hat die Nationalbank den Gesamtinteressen des Landes zu dienen. Das sei im Rahmen der Sicherung der AHV "zweifellos" der Fall. Und da durch den vorgeschlagenen Fonds weder Lohnprozenterhöhungen noch zusätzliche Mehrwertsteuerprozente erforderlich seien, könne dies auch die konjunkturelle Entwicklung in der Schweiz positiv beeinflussen.
Ökonom Kalt ist skeptisch
Daniel Kalt, Chefökonom der UBS Schweiz, kritisiert diesen Vorschlag. In einem Beitrag auf dem Karriereportal Linkedin bezeichnet er die Idee eines SNB-Fonds für die AHV als "unausgegoren". Was auf den ersten Blick bestechend einfach töne, stelle sich bei genauerer Betrachtung als ein höchst heikles, gar riskantes Unterfangen dar.
Einerseits sieht er durch die Auslagerung eines grossen Teils der Devisenreserven den Handlungsspielraum der SNB massiv eingeschränkt. Sollte die Inflation in Zukunft irgendwann wieder ansteigen und über das Ziel von 2 Prozent steigen, dann könne die SNB die enorme Ausweitung der Geldmenge praktisch nicht mehr rückgängig machen, da ein wesentlicher Teil davon in den AHV-Spezialfonds ausgelagert worden sei.
Anderseits hält der renommierte Ökonom das jährliche Ausschüttungsversprechen für problematisch. Da die Eigenkapitalquote der SNB derzeit bei nur rund 16 Prozent liegt, betragen folglich im 500-Milliarden-Fonds die Eigenmittel nur 80 Milliarden Franken, die restlichen 420 Milliarden wären Verpflichtungen gegenüber den Banken. Eine deutliche Korrektur am Aktienmarkt verbunden mit einer Frankenaufwertung könne dieses Eigenkapital schnell wegschmelzen lassen.
Gemäss Kalt sei es in einer solchen Situation fraglich, ob der Fonds überhaupt noch Ausschüttungen leisten könne oder ob die Erträge für den Aufbau von Eigenkapital in Form von Rückstellungen für Wertschwankungen verwendet werden müssten.