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Mit dem Ausbau ihrer Wertpapierkäufe hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Aktienmärkten noch einmal kräftig eingeheizt. Innerhalb nur weniger Wochen schoss der Deutsche Aktienindex (DAX) um knapp 30 Prozent nach oben. Schliesslich wollen die 60 Milliarden Euro, die die EZB seit März Monat für Monat ins Finanzsystem pumpt, möglichst gewinnbringend angelegt werden.

Doch nicht nur in den Nachbarländern, auch in der Schweiz zwingen die negativen Einlagezinsen sowohl Grossinvestoren als auch Privatanleger dazu, immer grössere Risiken einzugehen. Mit den mündelsicheren Anleihen der Eidgenossenschaft lässt sich schon eine ganze Weile nichts mehr verdienen. Anleger legen mittlerweile auf eine Laufzeit von bis zu neun Jahren "noch etwas drauf", damit sie dem Bund ihr hart verdientes Geld anvertrauen dürfen. Doch auch Anleihen anderer öffentlich rechtlicher Schuldner werfen kaum noch etwas ab, von jenen von solide finanzierten Unternehmen wie Nestlé oder Novartis gar nicht erst zu sprechen.

Es erstaunt deshalb nicht, dass auch der Schweizer Aktienmarkt seinen Rückschlag nach der Aufgabe des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) längst wettgemacht hat. Obschon der starke Franken den meisten Unternehmen im internationalen Wettbewerb spürbar zusetzt, flirtet der breit gefasste Swiss Performance Index (SPI) bereits wieder mit seinen in der zweiten Hälfte März erklommenen Höchstständen. Was die Bewertung anbetrifft, so steht das Börsenbarometer dem DAX in nichts nach.

In den vergangenen sechs Jahren hat sich der SPI nämlich ebenfalls nahezu verdreifacht. Wer jetzt denkt, dass diese Entwicklung von den hiesigen Unternehmensgewinnen getragen wurde, der täuscht sich gewaltig. Schon seit Jahren stagnieren diese nämlich, nicht zuletzt auch aufgrund des starken Frankens.

Wie die amerikanische Leitbörse hat sich auch der Schweizer Aktienmarkt weit von der Unternehmensgewinnentwicklung abgekoppelt. Auf Basis der nächstjährigen Konsensschätzungen errechnet sich ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 18, was selbst für den als teuer verschrienen Schweizer Markt stolz ist. Noch extremer präsentiert sich die Situation beim Verhältnis der Börsenkapitalisierung zum Buchwert, das mittlerweile bei knapp 3 und damit auf einem absoluten Rekordstand liegt.

Dennoch wird auch hierzulande kaum noch auf rückläufige Aktienkurse spekuliert. An der Anzahl ausstehender Aktien gemessen sind solche Wetten so rar wie schon seit Jahren nicht mehr. Man könnte meinen, die Baissiers seien ausgestorben. Selbst die für solche Spekulationen geradezu berüchtigten Hedgefonds schwimmen heute lieber mit dem Strom als dagegen anzukämpfen.

Dass die Baissiers selbst bei kontrovers beurteilten Aktien wie jenen von Meyer Burger oder Sulzer reihenweise das Handtuch werfen, spricht eine klare Sprache. Bei beiden Unternehmen haben sich diese Wetten innerhalb weniger Wochen mehr als halbiert. Nach diesem historischen Sieg über die Baissiers sind sich die Haussiers ihrer Sache noch viel sicherer geworden.

Nachdenklich stimmen mich auch die sich häufenden Übernahmegerüchte. Nahezu täglich treffen aus dem Ausland wieder neue Meldungen über Hochzeitspläne bekannter Unternehmen ein. Verübeln kann man das diesen Firmen nicht, liessen sich solche Vorhaben doch noch nie günstiger finanzieren.

Auch hierzulande wird kräftig am Spekulationskarussell gedreht: Den deutschen Chemiekonzernen Lanxess und Evonik wird ein Interesse an Clariant nachgesagt, der Credit Suisse einmal mehr eines an der Zürcher Traditionsbank Julius Bär und auch der Börsenliebling AMS rückt regelmässig ins Zentrum von Übernahmegerüchten.

Gefahr geht vor allem von der Leitbörse in New York aus. Dass viele amerikanische Grossunternehmen mit den Folgen des starken Dollars zu kämpfen haben, scheint die dortigen Marktakteure nicht weiter zu interessieren. Sie stürzen sich geradezu auf die gängigen Modeaktien und bescheren diesen einen exponenziellen Kursanstieg. Anschauungsmaterial liefert der jüngste Höhenflug des amerikanischen Biotechnologiesektors (siehe Kolumne vom 30. März).

Doch der Heimmarkt scheint amerikanischen Grossinvestoren nicht genug. Längst grasen sie auch in der Schweiz die Wachstumsaktien ab. Erst gestern kletterten die Aktien des hiesigen Börsenlieblings Leonteq auf den höchsten Stand in der Firmengeschichte. Beim Anbieter strukturierter Produkte errechnet sich alleine seit Jahresbeginn ein Kursplus von mehr als 40 Prozent. Ihrem Namen alle Ehre machen auch die Valoren von Comet. Nach einem kometenhaften Anstieg wird das Unternehmen an der Börse rund 30 Prozent höher bewertet als noch Anfang Jahr. Dem stehen andere Modeaktien wie jene von Autoneum, U-Blox oder AMS in nichts nach.

Öl ins Feuer giessen die Aktienanalysten mit ihren geradezu aggressiven Kaufempfehlungen und Kurszielen. Eine solche Aktie zum Verkauf zu empfehlen, gilt hingegen als höchst unpopulär wenn nicht gar als verpönt.

Von Exzessen ist auch bei der Finanzierung von Wachstumsfirmen wie Uber oder Airbnb zu hören. Namhafte Grossinvestoren scheinen sich regelrecht um Unternehmen zu prügeln, denen ein Gang an die Börse noch bevorsteht. Sie alle wittern das grosse Geld und sind bereit, schon heute tief in die Tasche zu greifen.

Mir ist durchaus bewusst, dass es an Aktien derzeit kein Vorbeikommen gibt. Ausserdem dauern Trends an den Märkten für gewöhnlich sehr viel länger als gedacht. Ich will den Teufel an dieser Stelle deshalb auch nicht an die Wand malen. Dennoch gibt es immer mehr Anhaltspunkte, die darauf schliessen lassen, dass sich die Aktien-Hausse mittlerweile in einer weit fortgeschrittenen Phase befindet. Diese kann für nervenstarke Anleger durchaus lukrativ sein - vorausgesetzt man erwischt rechtzeitig den Ausstieg. Zumindest ich habe aber lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
 

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